Forschungsleistungen zu präzisem Gentransfer, Allergie-Immuntherapie und HIV-1-Infektionen Immuntherapie prämiert

Zum 13. Mal haben das Paul-Ehrlich-Institut und der Verein zur Förderung des Langener Wissenschaftspreises den mit insgesamt 2.000 Euro dotierten Langener Nachwuchswissenschaftspreis verliehen. Den ersten Preis erhält Samuel Theuerkauf (30) für seine Forschungsarbeiten zum verbesserten Gentransfer mithilfe zweier Marker. Den zweiten Preis erhält Dr. Yen-Ju Lin (35) für ihre Forschung zum Einfluss künstlich erzeugter Fusionsproteine auf das Immunsystem. Der dritte Preis geht an Dr. Moritz Schüssler (33) für seine Forschung zum Einfluss des Restriktionsfaktors SAMHD1 auf HIV-1-Infektionen.

15.04.2024, 17:27:44
Dr. Susanne Stöcker, Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel

Mit den Nachwuchswissenschaftspreisen werden Forschungsarbeiten gewürdigt, die zu Erstautor(in)-Publikationen in einer anerkannten Fachzeitschrift geführt haben. Die beiden Preisträger sowie die Preisträgerin erhielten am 15.04.2024 ihre Urkunden und Glückwünsche vom Vorsitzenden des Vereins zur Förderung des Langener Wissenschaftspreises, apl. Prof. Klaus Cichutek sowie von apl. Prof. Stefan Vieths, kommissarischer Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Hagen Wenzel, Vorstandsmitglied der Sparkasse Langen-Seligenstadt und Uwe Linder, Geschäftsführer der Stadtwerke Langen GmbH. Hochkarätige Forschung in allen Bereichen, die für die Arzneimittel in der Zuständigkeit des Paul-Ehrlich-Instituts relevant sind, ist fester Bestandteil der Aktivitäten des Bundesinstituts für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. "Dass die Preise in so unterschiedlichen Forschungsgebieten wie Gentransfer, HIV-Forschung und Allergie-Immuntherapie vergeben wurden, zeigt, wie vielfältig unsere Forschung in Verbindung mit unseren regulatorischen Aufgaben ist", erklärte Institutspräsident Vieths. Hochpräziser Gentransfer mit bispezifischen Adeno-assoziierten Vektoren Der erste Preis ging an Samuel Theuerkauf für seine Erstautor-Publikation "AAV vectors displaying bispecific DARPins enable dual-control targeted gene delivery". Ziel seiner Forschungsarbeit ist der optimierte Gentransfer genau in die Zellen, die für die Behandlung einer spezifischen Erkrankung relevant sind. Es ist inzwischen möglich, ungefährliche Viren, die als Genfähren fungieren, so zu verändern, dass sie bestimmte Zellen wie beispielsweise Immun-T-Zellen ansteuern können. Aber die bisherigen Vektoren erkennen die Zellen nur anhand eines Markers. Viele therapierelevante Zellen im menschlichen Organismus sind jedoch nur durch die Kombination mehrerer Marker eindeutig definiert. Im Fall chronisch HIV-infizierter Zellen ist es die Kombination der Marker CD4 und CD32a. In dem Forschungsprojekt wurden Adeno-assoziierte virale Vektoren (AAVs) erstmals so modifiziert, dass sie zwei verschiedene hochaffine Binder (DARPins; designed ankyrin repeat proteins) tragen, eines spezifisch für CD4 das andere für CD32a. Diese bispezifischen AAVs transduzierten CD4/CD32a-doppelt-positive Zellen mit viel höherer Effizienz als einfach-positive Zellen und erreichten die doppelt-positiven Zellen sogar, wenn sie in geringsten Mengen in Zellgemischen oder menschlichem Blut vorhanden waren. Die deutliche Präferenz für doppelt-positive Zellen bestätigte sich auch in vivo in einem Mausmodell mit wenigen doppelt-positiven Zellen im Knochenmark der Tiere. Nach systemischer Applikation der Vektorpartikel wurden mehr als die Hälfte dieser Zellen, welche als Modell für das HIV-Reservoir fungieren, erfolgreich transduziert, d. h. die gewünschten Gene übertragen. Studien zum Zelleintritt zeigten, dass bispezifische AAV besser in Zellen eindringen als monospezifische. Wenn die Vektoren zudem mit einer auf das HIV-Genom ausgerichteten CRISPR/Cas-Kassette ausgestattet wurden, verhinderten sie die HIV-Replikation (Vermehrung) in T-Zellkulturen. Dies ist der erste Konzeptnachweis für die hochpräzise und effiziente Genübertragung durch tandembindende Domänen auf AAV. Damit bietet sich eine neue Option für rezeptorgesteuerte Vektoren zur Verbesserung der Spezifität und Sicherheit der In-vivo-Gentherapie. Originalpublikation: Theuerkauf SA, Herrera-Carrillo E, John F, Zinser LJ, Molina MA, Riechert V, Thalheimer FB, Börner K, Grimm D, Chlanda P, Berkhout, Buchholz CJ (2023): AAV vectors displaying bispecific DARPins enable dual-control targeted gene delivery. Biomaterials 303: 122399. DOI: https://doi.org/10.1016/j.biomaterials.2023.122399 Therapeutika gegen Birkenpollenallergien und ihr Einfluss auf das Immunsystem Dr. Yen-Ju Lin erhielt den zweiten Preis für ihre Erstautorin-Publikation "A flagellin-conjugate protein induces dual NLRC4- and NLRP3-inflammasome activation which modulates inflammatory cytokine secretion from macrophages". In ihrer Forschung ging Lin der Frage nach, wie Therapeutika gegen Birkenpollenallergien das Immunsystem beeinflussen können. Das rekombinant hergestellte Fusionsprotein rFlaA:Betv1 besteht aus zwei genetisch zusammengesetzten Komponenten: Flagellin A, das von Bakterien für ihr Fortbewegungssystem benötigt wird und ein Aktivierungssignal für Immunzellen ist, und Bet v 1, ein Allergen, das für Birkenpollenallergien verantwortlich ist. In Vorarbeiten hatte die Forschungsgruppe bereits gezeigt, dass die Verabreichung von rFlaA:Betv1 die Entwicklung von Birkenpollenallergien im Mausmodell verhindern kann. Studien hatten auch gezeigt, dass bestimmte Arten von Immunzellen – Makrophagen – teilweise für die verminderte allergische Reaktion verantwortlich sind, indem sie entzündungshemmende Botenstoffe (Zytokine) freisetzen. Lin und die Gruppe haben jetzt die Mechanismen weiter untersucht, die der Aktivierung von Makrophagen durch das Fusionsprotein zugrunde liegen. Durch Kombination verschiedener Mutanten des Fusionsproteins, die Verwendung von Inhibitoren, die immunologische Prozesse blockieren, und die Verwendung von Zelllinien, denen bestimmte Teile des Immunsystems fehlen, fanden sie heraus, dass die Aktivierung von Makrophagen durch das Fusionsprotein über zwei Rezeptoren des angeborenen Immunsystems vermittelt wird, nämlich NLRC4 und NLRP3. Sie sind bekannt dafür, bei Aktivierung die Bildung eines Inflammasoms, eines Multiproteinkomplexes des Immunsytems, auszulösen, das wiederum die Freisetzung von Zytokinen und Entzündungsreaktionen vermittelt. Die Forschung ist ein Beitrag besser zu verstehen, wie Therapeutika, die Antigen und Adjuvans in einem einzigen Molekül kombinieren, das Immunsystem aktivieren, damit sie in Zukunft nicht nur sicher und wirksam in der Immuntherapie von Allergien, sondern auch bei anderen Krankheiten eingesetzt werden können. Originalpublikation Lin YJ, Jamin A, Wolfheimer S, Fiedler A, Junker AC, Goretzki A, Scheurer S, Schülke S (2023): A flagellin-conjugate protein induces dual NLRC4- and NLRP3-inflammasome activation which modulates inflammatory cytokine secretion from macrophages. Front Immunol 14: 1136669. DOI: https://doi.org/10.3389/fimmu.2023.1136669 Restriktionsfaktor SAMHD1 und der Einfluss auf HIV-Infektionen Der dritte Preisträger ist Dr. Moritz Schüssler. Er wurde für die Erstautor-Publikation "Gene editing of SAMHD1 in macrophage-like cells reveals complex relationships between SAMHD1 phospho-regulation, HIV-1 restriction, and cellular dNTP levels" ausgezeichnet. In ihrer Forschungsarbeit untersuchten Schüssler mit Kolleginnen und Kollegen die Rolle des Proteins SAMHD1 (sterile alpha motif and histidine-aspartate (HD)-domain-containing protein 1) bei HIV-1-Infektionen. SAMHD1 ist ein Restriktionsfaktor für HIV-1. Seine antivirale Aktivität wird durch Phosphorylierung an der T592-Position reguliert. Mit einer neuen Methodik wurden gezielt Mutationen in das Erbgut dieser Zellen eingebracht, die es erlaubten, den Zusammenhang zwischen der Phosphoregulation, der enzymatischen Aktivität und der antiviralen Funktion genetisch zu entschlüsseln. Die Verwendung von BLaER1-Zellen als neues Zellmodell für HIV-1-Infektionen ermöglichte es, diese Mutationen in einem physiologischen Kontext zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass die antivirale Aktivität von SAMHD1 und seine enzymatische Funktion nicht immer direkt zusammenhängen. Diese Erkenntnisse betonen die Komplexität der Beziehung zwischen SAMHD1, HIV-1-Infektionen und zellulären Funktionen. Die Studie könnte neue Wege für die Entwicklung von Therapien eröffnen, die gezielt SAMHD1 beeinflussen, ohne andere zelluläre Prozesse zu stören, und zur Erforschung der angeborenen antiviralen Immunität beitragen. Originalpublikation: Schüssler M, Schott K, Fuchs NV, Oo A, Zahadi M, Rauch P, Kim B, König R (2023): Gene editing of SAMHD1 in macrophage-like cells reveals complex relationships between SAMHD1 phospho-regulation, HIV-1 restriction, and cellular dNTP levels. mBio 14: e0225223. DOI: https://doi.org/10.1128/mbio.02252-23