Wissenschaftliche Mobilität gezielt fördern

Dank neuer Studien können deutsche Hochschulen ihr internationales Forschungsmarketing noch stärker zielgruppenorientiert ausrichten.

Eine junge Frau hält eine große, flache Schale in ihren Händen, darüber schwebt ein Globus. Im Hintergrund ist eine Skyline einer Großstadt mit Auto und Flugzeug dargestellt.

„Es gibt die empirische Evidenz, dass Kooperationen die wissenschaftliche Performanz erhöhen“, sagt Dr. Rainer Frietsch, Leiter des Competence Center Innovations- und Wissensökonomie am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Er führt aus: „Kooperationen werden auch dadurch stimuliert, dass Wissenschaftler mobil sind.“ Wie vielfältig der Nutzen dieser Mobilität sein kann, zeigte die Session „Die Globalisierung der Wissenschaft – Wandel von internationalen Mobilitätsströmen und Mobilitätserträge“ des GATE-Germany-Marketingkongresses 2019 mit Vorträgen von Frietsch und Dr. Kristina Hauschildt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW).

Mit Mobilität zur Exzellenz

„Austausch ist grundlegend für den wissenschaftlichen Fortschritt“, betont Frietsch und hebt den Wert hervor, den Wissenschaftssysteme als Teil von Innovationssystemen hätten. Dabei verweist er auch auf die „Missionsorientierung“ im deutschen Wissenschaftssystem, die auf die Beantwortung gesellschaftlicher Fragestellungen zielt. Der Anspruch der Bundesregierung, globalen Herausforderungen mit internationaler Zusammenarbeit zu begegnen, ist in der Strategie zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung festgeschrieben. Kooperation mit den „Besten der Welt“ soll die Exzellenz der deutschen Forschung stärken. Der Bundesregierung gehe es schließlich auch darum, so Frietsch, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern.

Neue Herausforderungen im Austausch mit China

Der Wunsch, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu optimieren, treibt auch die Internationalisierung der Wissenschaft in der Volksrepublik China an. „Um ein Upgrade der Wirtschaft herbeizuführen, wird sehr viel von der Wissenschaft erwartet“, beschreibt Frietsch die Lage im Land. China spiele eine Hauptrolle bei der „Verschiebung des weltweiten FuE-Gewichts nach Asien“. So hat zuletzt etwa Chinas Anteil an den weltweiten, transnationalen Patentanmeldungen den von Deutschland übertroffen. Die wachsende internationale Vernetzung der Volksrepublik fordert intensivere Bemühungen um chinesische Partner. In einer vom Fraunhofer ISI ermittelten Rangliste der wichtigsten Wissenschaftspartner Chinas rutschte Deutschland in den Jahren 2000 bis 2016 von Rang vier auf Rang sechs ab. Die Zahl chinesischer Studierender in Deutschland nimmt immer noch stark zu, allerdings ist dieser Trend leicht rückläufig. Dabei bietet gerade die zunehmende Beliebtheit Deutschlands bei Studierenden aus dem Asiatisch-Pazifischen Forschungsraum (APRA) wertvolle Chancen, wissenschaftliche Talente anzuwerben. Das ist ein Ergebnis eines unter anderem von Frietsch 2018 mitverfassten Monitorings zu den APRA-Staaten.

Dynamische Entwicklung in Südostasien

Die Länder des Asiatisch-Pazifischen Forschungsraums haben sich zuletzt intensiver untereinander vernetzt. Diese von China, Japan und Südkorea vorangetriebene Entwicklung ist von einer „Kooperation der Köpfe“ gekennzeichnet. Dazu zählen Forschendenmigration, Hochschulkooperationen sowie die Mobilität von Studierenden in der Region. In Südostasien ist dieser Austausch in Thailand, Indonesien und den Philippinen besonders stark ausgeprägt. Von der wachsenden Bereitschaft zur Mobilität kann auch Deutschland in seinem Wissenschaftsaustausch profitieren, muss sich aber zugleich einer stärkeren Konkurrenzsituation stellen, insbesondere mit dem im Asiatisch-Pazifischen Forschungsraum dominierenden China. Zugleich können mit China geknüpfte Netzwerke für deutsche Akteure eine Brücke in andere APRA-Staaten bedeuten.

Pionierarbeit zur Wissenschaftlermobilität

„Die Vergrößerung internationaler Netzwerke als Folge von Mobilität gilt als gut belegt“, sagt Dr. Kristina Hauschildt vom DZHW. Zum Einfluss internationaler Mobilität auf wissenschaftliche Karrieren liegen bereits zahlreiche Studien vor, nun rückt die Systematisierung der Befunde in den Fokus der Forschung. Dabei leistet das DZHW Pionierarbeit, die auch zu einem breiteren Fundament für das Forschungsmarketing beitragen kann.

Positive Effekte auf internationale Netzwerke

Das vom BMBF geförderte DZHW-Projekt „Determinants and career effects of scientists‘ international mobility (SciMo)“ untersucht den Zusammenhang von Mobilität und Karriereeffekten auf der Basis von 83 ausgewählten Studien. Deutlich wird unter anderem, wie die Mobilität internationale Netzwerke stärkt:

Bei der wissenschaftlichen Produktivität und der wissenschaftlichen Rezeption überwiegen positive Effekte ebenfalls deutlich, auch wenn hier einzelne Studien negative Effekte feststellen:

Bei der wissenschaftlichen Produktivität und der wissenschaftlichen Rezeption überwiegen positive Effekte ebenfalls deutlich, auch wenn hier einzelne Studien negative Effekte feststellen:

Bessere Betreuung als Erfolgsfaktor

Negative Effekte von Mobilität sind etwa verbunden mit der Loslösung von heimischen Netzwerken oder mit Auswirkungen auf die Beschäftigungsstabilität. Eine bessere Betreuung von Rückkehrenden könne die Instabilität wissenschaftlicher Karrieren mildern, sagt Hauschildt. Auf der strukturellen Ebene regt sie an, Mobilität auch in Tenure-Track-Positionen zu verankern.

Zielgruppen weltweit identifizieren

Wie sehr die berufliche Perspektive zudem die Wahl des Ziellands mobiler Akademiker beeinflusst, stellt eine neue Studie von „Research in Germany“ in der Schriftenreihe Hochschulmarketing von GATE-Germany heraus. In einer weltweiten Onlinebefragung wurden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler im Ausland befragt; der Fokus lag auf Akademikern aus acht wichtigen Partnerländern Deutschlands (Großbritannien, Indien, Israel, Mexiko, Polen, Südkorea, Südafrika und USA). Ein zentrales Fazit hebt hervor: „Mobilitätsentscheidungen und das Interesse für ein Zielland/eine Zieleinrichtung werden insbesondere durch berufliche Motive bestimmt. Entsprechend haben auch berufliche Faktoren wie der gute Ruf des Lehrstuhls, große Forschungsfreiheit oder die Karriereperspektiven einen vergleichsweise hohen Einfluss auf die Entscheidung für eine Zieldestination.“ Zugleich lässt sich differenzieren: Im Gegensatz zu Promovierenden haben zum Beispiel bei Bachelor- und Masterstudierenden auch die Verbesserung ihrer Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen einen sehr hohen Stellenwert.

Lohnender Blick in aktuelle Studien

Ebenso zeigt die Umfrage, dass kulturelle Unterschiede bei der Ansprache internationaler Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine eher geringe Rolle spielen. Entscheidend ist vielmehr der differenzierte Blick auf die jeweilige Karrierestufe. Grundsätzlich gilt: Für ein effektives, zielgruppenorientiertes Forschungsmarketing lohnt der Blick in aktuelle Studien und Umfragen. Dies kann helfen bei der Auswahl geeigneter Zielländer, bei der richtigen Ansprache der Zielgruppen, aber auch in der Diskussion im eigenen Haus: Schließlich liefern die belegbaren, positiven Effekte der wissenschaftlichen Mobilität gute Argumente dafür, sich international mit Marketingaktivitäten zu positionieren.