Trotz Corona: Unternehmen rechnen auch für 2021 mit Fachkräfteengpässen

Viele Unternehmen sehen sich auch in der Corona-Krise mit Engpässen bei Personen mit akademischen Abschlüssen konfrontiert. Allerdings spielt die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland bislang nur eine untergeordnete Rolle, wie der Fachkräftemigrationsmonitor der Bertelsmann Stiftung zeigt. Dabei liegt auch hier Potenzial, um die Auswirkungen des demografischen Wandels abzumildern.

Autor: Dr. Matthias Mayer, Senior Expert der Bertelsmann Stiftung

Fachkräfteengpässe bleiben auch in Zeiten der Corona-Pandemie eine Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Das zeigt der im Januar 2021 veröffentlichte Fachkräftemigrationsmonitor der Bertelsmann Stiftung. Demnach rechnen 54 Prozent der Unternehmen mit Fachkräfteengpässen für das Jahr 2021. Im vergangenen Herbst gaben 55 Prozent der Unternehmen an, über weniger Fachkräfte als benötigt zu verfügen. Am stärksten war der Bedarf an Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung (37 Prozent), gefolgt von Akademiker:innen (27 Prozent). Die Situation stellt sich je nach Betriebsgröße, Berufsfeld und Region unterschiedlich dar. Der Bedarf an Hochschulabsolvent:innen steigt mit der Unternehmensgröße. So gaben ca. ein Drittel der Unternehmensentscheider:innen in großen Unternehmen an, Engpässe zu erfahren, bei kleinen Unternehmen waren es nur knapp ein Fünftel.

Die Abbildung trägt den Titel "Haben Sie derzeit in Ihrem Unternehmen Fachkräfteengpässe?" und zeigt ein Balkendiagramm, welches die Antworten der Befragten nach ihrer Unternehmensgröße wiederspiegelt.

Fachkräftegewinnung aus dem Ausland spielt eine untergeordnete Rolle

Um Fachkräfteengpässen entgegenzuwirken, setzen die befragten Unternehmen in erster Linie darauf, neue Mitarbeiter:innen auszubilden sowie das vorhandene Personal durch Weiterbildung und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Betrieb zu halten. Nur 17 Prozent gaben dagegen an, Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Dabei warben sie vor allem Personal aus der EU sowie anderen europäischen Ländern an, gefolgt von Asien und dem Mittleren Osten. Sehr wenig Erfahrung gibt es mit Fachkräften aus Afrika. Als größte Hürden bei der Anwerbung aus dem Ausland nennen die Unternehmen sprachliche Verständigungsprobleme sowie die Schwierigkeit, die im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen richtig einzuschätzen. Rechtliche Hürden sowie Corona-bedingte Einreisebeschränkungen spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Die Abbildung mit dem Titel "Welche dieser Instumente nutzen Sie, um Fachkräfteengpässe in Ihrem Unternehmen zu vermeiden?" zeigt ein Balkendiagramm, dass die Gewichtungen der einzelnen Instrumente wiederspiegelt.

Arbeitsmigration aus Drittstaaten verharrte 2019 auf niedrigem Niveau

Die vergleichsweise geringe Bedeutung ausländischer Fachkräfte für die Rekrutierungsbemühungen spiegelt sich in den übergeordneten Trends der Zuwanderungsdaten wider. Im Jahr 2019 – und damit vor Ausbruch der Corona-Pandemie – ging die Zahl der Zuzüge aus anderen EU-Staaten nach Deutschland um rund sieben Prozent zurück. Die Arbeitsmigration von Personen aus Drittstaaten nach Deutschland erhöhte sich zwar leicht um knapp sechs Prozent im Vergleich zu 2018, verharrt aber mit 64.219 Personen auf niedrigem Niveau. Die Fachkräftezuwanderung aus Drittstaaten (also Akademiker:innen und Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung) für sich genommen, stieg um knapp zwei Prozent auf 39.394. 

Die Attraktivitätsindikatoren der OECD liefern eine Erklärung dafür, warum Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur eine untergeordnete Rolle spielen. Deutschland bietet ihnen demnach im Vergleich mit anderen OECD-Staaten schlechtere berufliche Chancen, wie ein Policy Brief aus dem Jahr 2019 zeigt. Das bestätigt der Fachkräftemigrationsmonitor, da Ausländer:innen beispielsweise in geringerem Maße eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausüben als Deutsche.

Für Studierende ist Deutschland attraktiv

Auf der Haben-Seite ist zu vermerken, dass die OECD-Attraktivitätsindikatoren Deutschland eine hohe Attraktivität für internationale Studierende attestieren. Denn da liegt es nach der Schweiz und Norwegen auf Platz drei und somit in der Spitzengruppe. Positiv bemerkbar machen sich dabei vor allem die im internationalen Vergleich großzügigen Möglichkeiten, während des Studiums arbeiten zu können sowie die sehr niedrigen Studiengebühren – und diesbezüglich insbesondere die Gleichbehandlung von einheimischen und internationalen Studierenden. 

Die Bedeutung internationaler Studierende für die Fachkräftesicherung unterstreicht auch, dass viele Studierende im Anschluss an das Studium eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. So wechselten im Jahr 2019 rund 7.500 Personen aus einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums in eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit für Fachkräfte – und rund 4.000 Personen aus einer Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für Absolventen deutscher Hochschulen.