Methodische Blackbox: Hochschul-Rankings und ihre Bedeutung für das Forschungsmarketing

Sie sind populär und bieten Orientierung: Internationale Hochschulrankings haben großen Einfluss auf die Außenwahrnehmung eines Forschungsstandorts. Sie zu bespielen ist jedoch kompliziert.

Hölzerne Spielblättchen mit Buchstaben bilden das Wort Ranking

Gute Rankingergebnisse stärken das Prestige. Bei der Anbahnung internationaler Kooperationen rücken global einflussreiche Hochschulrankings ebenso in den Fokus wie bei der Rekrutierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder dem Einwerben von Drittmitteln. „In der Begutachtung und Förderung von Forschungsbereichen zeigen hochrangige Platzierungen Wirkung“, beobachtet Julia Wandt, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing an der Universität Konstanz. In ihrer Außendarstellung widmet die Hochschule dem Thema auf ihrer Website eine eigene Kategorie. Neben allgemeinen Hintergrundinformationen zum Verständnis von Rankings schlüsseln die Seiten die eigenen Ergebnisse auf und liefern weiterführende Hinweise zur Methodik einzelner Anbieter, vom DFG-Förderatlas oder dem CHE-Hochschul-Ranking bis hin zu den einschlägigen internationalen Rankings (siehe Box).
Bei den Young University Rankings, die Universitäten bewertet, die nicht älter als 50 Jahre alt sind, schnitt die Bodensee-Uni regelmäßig als beste oder zweitbeste deutsche Universität ab. Auch 2016, als sie zum letzten Mal teilnehmen durfte, erreichte sie deutschlandweit den ersten, weltweit den siebten Platz. „Die konkreten Auswirkungen eines solchen Erfolges sind zwar nur schwer messbar“, so Wandt. „Für unsere internationale Sichtbarkeit als Forschungsuniversität sind sie aber auf jeden Fall ein wichtiger Indikator.“

Umstritten: Vergleichbarkeit im internationalen Wettbewerb

Unter Forschenden wird die Aussagekraft internationaler Hochschulrankings durchaus skeptisch gesehen. Bemängelt wird vor allem, dass sie den spezifischen Strukturen des deutschen Systems nicht gerecht werden, das auf ein vielfältiges Angebot angelegt ist. Auf dem internationalen Markt konkurrieren deutsche Hochschulen, die Bildung weitgehend kostenfrei anbieten, mit Universitäten, die sich über Studiengebühren und Fundraising finanzieren. „Hochschulen angloamerikanischer Prägung bilden Finanzierungs- und Betreuungsmodelle ab, die wir in Deutschland nur partiell bespielen können“, stellt Dr. Johannes Keller-Herder fest. In der Hochschulentwicklung (HSE) der Universität Freiburg befasst er sich unter anderem mit allen Fragen rund um das Thema Ranking, von der Bearbeitung der erforderlichen Kennzahlen bis hin zur Analyse der Ergebnisse. Die internationale Öffentlichkeitswirkung lasse sich gar nicht hoch genug einschätzen, betont er. „Verändern können wir diese Spielregeln nicht. Die Frage ist vielmehr, wie gehen wir damit um?“ Der Versuch, der Öffentlichkeit und der Politik in einem hochkomplexen Wissenschaftsumfeld einfache Orientierung zu bieten, sei verführerisch. „Dem können wir uns nicht entziehen.“

HRK unterstützt Hochschulen im strategischen Umgang mit Daten

Hier setzt das Projekt „Zur Verbesserung internationaler Rankingergebnisse deutscher Universitäten“ an, das die Technische Universität Dresden und die Eberhard Karls Universität Tübingen zwischen 2013 und 2018 durchführten. Dr. Zuzanna Gorenstein, Projektleiterin für Internationale Hochschulrankings der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), beobachtet ein wachsendes Interesse an einem strategischen Umgang mit Rankings. Sie spricht jedoch auch von einer „methodischen Blackbox“ der Anbieter, die Nutzer oft überfordere. „Nicht jede Hochschule kann sich jemanden leisten, der sich in dieser Tiefe mit den jeweils geforderten Kennzahlen beschäftigt.“ Die Projektberichte der zweiteiligen Studie (1) verstehen sich unter anderem als Handreichungen für Hochschulen und leiten konkrete Empfehlungen für die Analyse und Reflexion adäquater Datenmeldungen ab. Sie reichen von der korrekten Meldung hochschuleigener Daten, der sorgfältigen Pflege von Publikations- und Zitationsdatenbanken und des Hochschulprofils bis hin zu detaillierten Beschreibungen der Methoden, Indikatoren und Anforderungen führender Anbieter wie THE und QS. Auch konstruktive Kritik an den bestehenden Praktiken einiger Rankings wurde den Anbietern kommuniziert. „Eine Kompetenzerhöhung im Umgang mit Rankings beinhaltet immer auch ein Hinterfragen dieser“, betont Gorenstein. Das Vertreten der Interessen deutscher Hochschulen im Austausch mit den Rankinganbietern ist ein zentraler Bestandteil des von ihr geleiteten HRK-Projekts Internationale Hochschulrankings.
Bereits die Auswirkungen des ersten Rankingprojektes schlugen sich in deutlich verbesserten Ergebnissen und einem veränderten Umgang mit Rankings in der deutschen Hochschullandschaft nieder. „Im Hinblick auf das THE-Ranking 2020 sehen wir, dass sich beispielsweise der Abstand zwischen britischen und deutschen Hochschulen verringert“, so Gorenstein. Die Projektleiterin beobachtet strukturelle Veränderungen innerhalb der Hochschulen: Zuständigkeiten wurden klar definiert, Ressourcen für ein professionelles Rankingmanagement bereitgestellt. „An vielen Universitäten werden Rankingbeauftragte eingesetzt, die sich aktiv mit Strategien zur Verbesserung der Platzierung auseinandersetzen.“

Bei Interesse an den Projektberichten der Universitäten Tübingen und Dresden „Zur Verbesserung internationaler Rankingergebnisse deutscher Universitäten“ wenden Sie sich an das HRK-Serviceprojekt Internationale Hochschulrankings unter rankings@hrk.de. Die Projektleiter gestatten eine individuelle Weitergabe des Papiers an berechtigte Parteien (z.B. Hochschulen). 

Rankings zur Einschätzung der eigenen Position

Ein Ranking-Workshop mit Teilnehmenden von 46 Universitäten legte 2017 den Grundstein für eine deutschlandweite Netzwerkbildung. Die HRK knüpft daran an und fördert den Austausch der Hochschulen untereinander über jährliche Veranstaltungen. Auch Dr. Johannes Keller-Herder ist Teil dieses Netzwerks. „Rankings erlauben Hochschulen eine Einschätzung der eigenen Position im internationalen Wettbewerb“, betont er. Daraus wiederum lassen sich Rückschlüsse für das Marketing ziehen.
Die Komplexität und die Unterschiedlichkeit in der Methodik machen es Hochschulen jedoch nicht leicht, mit Rankings zu werben. „Wir sind da ganz schnell in einer Erklärungsschleife, die bei unserer Zielgruppe nicht mehr wahrgenommen wird“, erklärt Katja Stempfle-Eberl, Projektleiterin für das internationale Forschungsmarketing an der Universität Freiburg. So zählt die Hochschule beim THE-Ranking zu den Top 100, bei QS stand sie zuletzt auf Platz 169 weltweit. Der DFG-Förderatlas wiederum listet Freiburg aktuell auf Rang 7, im Verhältnis zu den Professoren rangiert die Universität dagegen auf dem 1. Platz. Wieso? „Da spielen so viele Parameter eine Rolle“, stellt Stempfle-Eberl fest.

Rankings als Baustein der Markenbildung

Die Universität Regensburg wirbt für sich mit dem Label, eine der 330 besten Universitäten der Welt zu sein. „Rankings sind im Forschungsmarketing ein hervorragendes Instrument, um positive Botschaften großflächig nach außen zu tragen“, betont Jan Kleine, der Sprecher des Präsidenten. „Alle Aktivitäten, die zum Aufbau einer Hochschule als internationale Marke beitragen, werden durch gute Platzierungen wie beim Center for World University-Ranking quasi bestätigt.“ Ein Highlight für die bayerische Hochschule war der Spitzenplatz im Nature Index, dem Ranking des renommierten britischen Wissenschaftsmagazins. 2019 belegte die Universität Regensburg den ersten Platz unter den deutschen Forschungseinrichtungen. „Nature ist die bedeutendste Fachzeitschrift im Bereich der Naturwissenschaften, ein solches Ranking erfährt daher große Akzeptanz unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“, so Kleine. Der Anklang war daher auch innerhalb der Universität besonders groß. „Unsere Forschenden fühlten sich bestätigt, sie ernten die Früchte ihrer Arbeit.“
Auch nach außen strahlte der Glanz. Jan Kleine sieht durchaus einen Zusammenhang zwischen dem guten Abschneiden beim Nature Index und dem im April 2020 vom Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags bewilligten Neubau des Regensburger Zentrums für ultraschnelle Nanoskopie (RUN). „Rankings sind behaftet mit dem Anstrich des Objektiven und haben großen Einfluss darauf, wie Forschungsstandorte wahrgenommen werden.“ Bei Stakeholdern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft kommen Erfolgsnachrichten dieser Art gut an.

Die einflussreichsten Internationale Hochschulrankings – ein Überblick:

Academic Ranking of World Universities (ARWU)

Academic Ranking of World Universities (ARWU), auch bekannt als Shanghai-Ranking, verfolgte ursprünglich das Ziel, die Forschungsleistungen chinesischer Hochschulen mit denen der führenden Hochschulen weltweit zu vergleichen. Bis heute beschränkt es sich überwiegend auf die Messung von Forschungsleistung. Hochschulen mit stark naturwissenschaftlicher Ausrichtung dominieren die Ranglisten entsprechend deutlich. Forschungsstarke Universitäten aus den USA und Großbritannien belegen die Spitzenpositionen.

THE-Ranking (Times Higher Education)

 

Das THE-Ranking (Times Higher Education) nimmt auch andere Indikatoren wie die Lehre in den Blick, ist jedoch ebenfalls stark forschungsorientiert. Auch den Reputationsurteilen unter Akademikerinnen und Akademiker wird ein hoher Wert beigemessen. Alteingesessene, traditionsreiche Hochschulen angloamerikanischer Prägung schneiden daher besonders gut ab.

QS World University Rankings (QS-Rankings)

Die QS World University Rankings (QS-Rankings) sind eine Ausgründung von THE und gelten besonders in Nordamerika als sehr einflussreich. Sie richten sich vor allem an Studierende und Studienanfänger, aufgrund ihrer Popularität sind sie jedoch für die Hochschulpolitik insgesamt von Bedeutung. Die hohe Gewichtung von Reputationsurteilen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Arbeitgebern führt auch hier zu einem starken Vorsprung traditionsreicher Universitäten.

U-Multirank

U-Multirank ist ein nicht kommerzielles globales Ranking, das sich von forschungsfokussierten Angeboten absetzt und der Diversität von Hochschulen Rechnung trägt. Im Auftrag der Europäischen Kommission wurde es von einem unabhängigen Konsortium europäischer Hochschul- und Forschungseinrichtungen entwickelt und 2014 erstmals veröffentlicht. Anhand eines interaktiven Online-Tools lassen sich Rankings nach individuellen Präferenzen erstellen – im Hinblick auf Fachbereiche beispielsweise oder auf dieselben Hochschultypen. Problematisch ist die noch geringe Akzeptanz des Rankings.

Autorin: Gunda Achterhold